Dienstag, 28. Oktober 2025

Atem

 

Wie im Post "Das ermächtigte Selbst" erwähnt, bedeutet das hebräische Wort Ruach unter anderem auch "Wind" und "Atem". Im folgenden zitiere ich Kurt Marti aus seinem Buch "Gott im Diesseits - Versuche zu verstehen" (2005) das Kapitel "Atem" in sechs Aussagen:

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Das deutsche Wort "Atem" weist zurück auf das altindische "Atman", die Bezeichnung für das innerste Wesen des menschlichen Selbst, das Anteil hat an der kosmischen Urkraft Brahman. Gemäss dem Atharva-Veda (1000-700 vor Christus) ist der Atem die alles Leben erhaltende Gottheit: "Dem Atem sei Verehrung, in dessen Macht dieses All steht." Auf solcher oder ähnlicher Atemverehrung gründen denn auch die verschiedenen Atempraktiken des klassischen Yoga.

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Für die Bibel ist es Gott, der den Menschen den Lebensatem einbläst, einhaucht (1.Mose 2,7; Jesaja 42,5). Wenn er diesen den Lebewesen wieder entzieht, "so verscheiden sie und werden wieder zu Staub." (Psalm 104,29)

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Ohne Atem kein Leben. In seinem biblischen und emblematischen Wörterbuch von 1776 mahnte Friedrich Christoph Oetinger: "Eines der grössten Dinge, die man nicht achtet, ist das Atem holen..., aber wir in Europa erkennen das nicht genug."

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Und woher holen wir den Atem? Nicht aus uns selbst, sondern von aussen her, aus der sauerstoffhaltigen Luft der Erdatmosphäre. Von ihr bleiben wir abhängig, mit jedem Atemzug, was Novalis einst zur Einsicht brachte: "Die Luft ist genau so Organ des Menschen wie das Blut."

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Dass wir den Atem "holen" müssen, desavouiert den Begriff "Umwelt", da dieser uns glauben machen will, Menschen und Umwelt seien zwei trennbare Grössen. Jeder Atemzug dementiert diese Hypothese. Die fortschreitende Luftverschmutzung durchgiftet nicht allein die naturgegebene Um-uns-herum-Welt, sondern gleicherweise auch uns, die atmenden Verschmutzer, selbst.

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Wie die Lufthülle der Erde ist der Atem irdischer Geschöpfe, und damit ihr Leben überhaupt, eine Leihgabe des Schöpfers. Darum ruft der letzte der biblischen Psalmen uns auf: "Alles, was atmet, lobe Jahwe (den Herrn)!" (Psalm 150,6)

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Soweit Kurt Marti zum Atem. Höchste Wertschätzung geniesst der Atem als meditative Praxis in der buddhistischen Geistesschulung in Form der "Achtsamkeit auf das Ein- und Ausatmen" (anapanasati). Hier ein kurzer Auszug aus dem Buch "Geistestraining durch Achtsamkeit" von Nyanaponika:
 



Dazu hier eine schöne und einfach zu praktizierende Beschreibung der Atem-Meditation aus dem Buch "In Liebe umarmen - Der spirituelle Wegweiser für Liebende" von Stephen und Ondrea Levine (1995): 



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