Lied: Sehnsucht
Und er zeigte mir einen lautern Strom deslebendigen Wassers, klar wie Kristall,der ging von dem Stuhl Gottesund des Lammes. (Offenb. 22,1)
Wie der Hirsch nach frischen Quellen,Schreit nach dir, o Gott, mein Herz,Meiner Sehnsucht Segel schwellenHimmelan und heimatwärts,Nach dem Land der ewgen Wonnen,Nach dem lautern Lebensbronnen,Da der große SeelenhirtSeine Schafe weiden wird.
Seele, wirst du doch wie träumen,Darfst du jenes Wasser schaun,Das umweht von Lebensbäumen,Rauscht durch immergrüne Aun,Den kristallnen Strom der Gnaden,Drin die selgen Geister baden,Der am Stuhl des Lamms entspringtUnd das Paradies umschlingt.
Was von himmlischem EntzückenAhnend je mein Herz durchflog,Was in sel’gen AugenblickenTropfenweis die Seele sog:Dort umrauscht michs überschwänglich,Ungetrübt und unvergänglich,Aller Seligkeiten MeerWogt und wallet um mich her.
Was in banger ErdenstundeJe das arme Herz beklemmt,Wird in jenes Stromes GrundeFortgespült und weggeschwemmt:Dort quillt Labung jenem Sehnen,Stillung allen Erdentränen,Allem Kummer, allem Leid,Selige Vergessenheit.
Herz, mein Herz, wie wird dir werden,Wenn du dort dich himmlisch kühlstUnd der Staub und Schweiß der ErdenVon den müden Gliedern spülst,Wenn du, wie der Schwan im Bade,Untertauchst im Strom der Gnade,Und das Alte ist vorbei,Und der Herr macht alles neu!
Aug, mein Aug, wie wirst du leuchten,Göttlich klar und himmlisch hell,Darfst du deine Wimpern feuchtenIn dem lautern Wunderquell,In Siloahs ew’gen Bronnen,Der zum Blick in andre Sonnen,Der zum Schau’n in Gottes LichtSchärft ein sterbliches Gesicht.
Müde, schwermutsvolle Seele,Schuldbefleckt und sündenkrank,Wie, wenn mit dem letzten FehleAuch dein letzter Schmerz versank,Wenn du ledig aller Mängel,Fleckenlos wie Gottes Engel,Aus dem Meer der Gnaden steigstUnd dich deinem Priester zeigst!
Tauchen will ich in die FlutenWie Naeman siebenmal,Bis gestillet alle Gluten,Bis geheilet jede Qual,Bis die Seele frei von Schlacken,Hohen Haupts, mit hellem Nacken,Engelrein und engelschön,Darf aus ihrem Jordan gehn.
Wie ein Aar, dem Bad entschwebend,Freudig sein Gefieder sträubt,Und, empor zur Sonne strebend,Diamanten um sich stäubt,So, mein Geist, zu neuen Flügen,Reinern Wonnen, schönern SiegenSteigst du dann im höhern ChorKöniglichen Schwungs empor.
Herr, ich harre, Herr, ich dürste,Schmerzlich nach der Ewigkeit,Führe mich, o Lebensfürste,In den Frieden aus dem Streit;Müde bin ich aller Leiden,Müde, müde auch der Freuden,Meine Seele schreit nach dir:Herr, mein Gott, wann rufst du mir?
Karl Gerok, aus „Palmblätter“ (1853)
Lied:
The land of milk and honey

