Ein mir wichtiges Thema, das ich nun hier aufwerfen will ist - es wird euch kaum verwundern - dieses hier:
"Ihr werdet die Wahrheit erkennen,
und die Wahrheit wird euch frei machen."
Christus
"Eins ist die Wahrheit, nicht gibt's eine zweite,
sie kennend wird der Mensch hierbei nicht streiten."
Buddha
Mein früherer (verstorbener) buddhistischer
Meditationslehrer Dr. Rewata Dhamma (bei ihm habe ich in den 1980er und 1990er Jahren etliche Meditationsretreats im Haus der Besinnung in Dicken besucht) hat 1996 an der Missionsakademie der Universität Hamburg einen Vortrag gehalten zum Thema
„Was Buddhisten von ihren christlichen Freunden erwarten“. Er hat diesen Vortrag mit den folgenden Worten begonnen:
Liebe Freunde
Der grosse buddhistische König Ashoka, der der im 3. Jh. vor Christus in Indien lebte, liess ein Edikt in eine Steinsäule meisseln. Diese Säule steht bis zum heutigen Tag an einem besonderen Ort in Sarnah nahe Varanasi. Die Übersetzung der Inschrift lautet:
Wer die Religion eines anderen nicht achtet,
der achtet seine
eigene nicht.
Wer die Religion eines anderen achtet,
der achtet seine eigene.
Wer die Religion eines anderen achtet,
der achtet seine eigene.
Dieses Edikt enthält
den Kernpunkt meiner Botschaft an Sie alle bezüglich dessen, was ein Buddhist
von anderen Buddhisten und von Chris ten
erwartet, ebenso wie von den Anhängern jeder anderen Religion.
Sowohl Buddhismus als
auch Christentum sind sehr alte, anerkannte Religionen, und beide verkünden
höchst tiefgründige und doch nachvollziehbare und praktikable Lehren, die von
vielen Millionen Menschen seit Urzeiten vertrauensvoll angenommen worden sind.
Wenn es uns gelingen soll, in einen schwungvollen Dialog einzutreten, der es
uns ermöglicht, eine wirkliche Wertschätzung dieser beiden uralten Religionen
zu erlangen, dann müssen wir zuallererst mit den notwendigen Anstrengungen
fortfahren, unsere eigene Religion eingehend zu studieren und zu erforschen.
Wenn wir uns jedoch an unsere eigene Religion und ihre Lehren klammern unter
Ausschluss jeder anderen, dann haben wir unseren Geist und unsere Augen für
alles Verschiedene und möglicherweise Nützliche verschlossen. Wir sind dann
geistig isoliert und es fällt uns sehr viel schwerer, andere religiöse Systeme
und Traditionen sowie ihren spirituellen Nutzen objektiv wahrzunehmen. Daher
empfehle ich, dass wir alle gezielte Anstrengungen unternehmen, um zuerst
unsere eigenen religiösen Überzeugungen und Praktiken zu erforschen. Der Inder
Dr. Raimon Panikkar, ein katholischer Priester, sagte einmal:
Ich ging fort (aus Rom) alsChris t;
ich stellte fest (in Indien), dass ich ein Hindu bin;
und ich kehre als Buddhist (nach Rom) zurück,
ohne dass ich jemals aufgehört habe, einChris t zu sein.
(R. Panikkar, Glaube und Überzeugung:
Eine multireligiöse Erfahrung)
Ich ging fort (aus Rom) als
ich stellte fest (in Indien), dass ich ein Hindu bin;
und ich kehre als Buddhist (nach Rom) zurück,
ohne dass ich jemals aufgehört habe, ein
(R. Panikkar, Glaube und Überzeugung:
Eine multireligiöse Erfahrung)
Diese Aussage weckte mein Interesse an Raimon Panikkar, und so kaufte ich sein Buch "Gottes Schweigen - Die Antwort des Buddha für unsere Zeit". Panikkar, Sohn eines indischen Hindu und einer spanischen Katholikin, hat dieses Buch 1970 in Spanien herausgebracht, in deutscher Sprache ist es erst 1992 erschienen. Es ist eines meiner fünf Buchempfehlungen für Christlich-Buddhistische Brückenbauer.
2001 führte die "Herder Korrespondenz" ein spannendes und aufschlussreiches Interview mit Raimon Panikkar, daraus hier einige markante Aussagen:
Religionen sind nicht wie Parteien, bei denen man nur jeweils in einer einzigen Mitglied sein kann. Die Angehörigkeit zu einer Religion ist vielmehr eine Lebenserfahrung, die man später nicht mehr zu leugnen vermag.
Ich sehe keine Schwierigkeit, als Christ einer anderen Religion anzugehören, solange dies keine Verneinung des christlichen Glaubens bedeutet.
Wirklich tiefe menschliche Kommunikation geschieht doch erst da, wo wir von unserem Herzen her sprechen. Genau dann aber geht es auch um die spirituellen Erfahrungen.
Der Dialog zwischen Andersgläubigen ist kein Austausch von Informationen, wie zwei Computer dies leisten können, sondern eine Frage der Liebe zwischen Menschen.
Auch wurde mir immer wichtiger, dass meine Vorstellungen von Gott wirklich nur Vorstellungen sind und sie das Mysterium nicht treffen.
Es ist nicht leicht, miteinander ins Gespräch zu kommen. Nur mit dem Gleichgesinnten zu reden ist kein Dialog. Es ist hingegen schwer, den Feind zu lieben, wie es schwer ist, den Fanatiker zu achten oder dem Fundamentalisten an einer Stelle Recht zu geben. Wenn ich vehement antifundamentalistisch bin, bin ich auch ein Fundamentalist. Und es ist immer ein Problem, die Irritation der Anderen auszuhalten.
Dialog ist nicht nur eine elitäre Sache. Dialog geschieht dann, wenn ich im Alltag über meinen Glauben rede. Ich offenbare alltäglich mein Selbst, zu dessen Kern meine Seele und meine Religion gehören. Die Gelehrten müssen das vertiefen und einige auch Bücher schreiben, aber es gibt einen unvermeidlichen Dialog des Alltags.
Wie viele Tausende von Christen haben den Sinn von Meditation, Gelassenheit und auch Friedfertigkeit in der Begegnung mit den Anderen im Kontakt mit dem Buddhismus oder dem Hinduismus gelernt? Sind sie durch diese Befruchtung schlechte Christen geworden?
Auch heute stiftet Christus direkte Beziehungen zu ihm: Etwa wenn der Mensch von der Bergpredigt hört und sie als Ideal begreift.
Das ganze Interview kann hier gelesen werden. Im Weiteren siehe zum Thema auch meinen Stube-Brief aus dem Jahr 2004.
Letzten Sonntag, dem ersten Sonntag des Jahres 2025, haben 14 Personen in der Ref. Kirche Wasen im Emmental - mit (ursprünglich) buddhistischer Achtsamkeitsmeditation (Satipatthana) - die Premiere des nunmehr monatlich stattfindenden Besinnungssonntags zelebriert. Mich freut es riesig, dass dies hier und heute möglich ist! Eine grosses Danke empfinde ich für unseren Pfarrer Matthias Zehnder und den Kirchgemeinderat, die mich in diesem Angebot voll unterstützen.
Nun bin ich gespannt, auf eure Rückmeldungen und Gedanken zum Thema "Christus & Buddha", sowie ganz allgemein zum Thema des religiösen und interreligiösen Verständnisses und Dialogs.
Mit einem herzlichen Gruss
Ueli

